Preis-Leistung Sprachtraining | 01.03.2021
Von Stefan Iser
Es ist schon bemerkenswert, wie viele Unternehmen heutzutage Wert auf Nachhaltigkeit legen. Doch die in der Corporate Sustainability gelebten Widersprüche sind mindestens genauso bemerkenswert.
So etwa habe ich beispielsweise schon seit Jahren mit einem größeren Unternehmen zu tun, dass sich selbst als Pionier in Sachen Nachhaltigkeit sieht - und diese Politik ist auch an kleinen Details überall im Unternehmen erkennbar: GEPA-Kaffee in der Kantine, Keramik- statt Plastikbecher, Energie- und Wasserspartechnik allerortens ... und beim Sprachtraining?
Wichtige Entscheider in demselben Unternehmen üben Druck auf die Honorare von Sprachlehrern aus. So beispielsweise bei der Mitarbeiterin Ana C., der es wichtig war, sich eine nachhaltige Sprachschule auszusuchen. Obwohl der Preisunterschied gar nicht so groß war, bestand ihr Vorgesetzter darauf, dass sie sich einen billigeren Anbieter suchen solle. Nach einem halben Jahr meldete sich Ana C. zurück: "Ich hatte viele Stunden Sprachtraining und der Erfolg war allenfalls mäßig ... ich habe meine Zeit regelrecht verschwendet ... und das Unternehmen das Geld ... ich zahle jetzt lieber selbst, dann erspare ich mir eine Menge Ärger."
Wir wissen, dass Ana C. kein Einzelfall ist. Immer wieder suchen uns Menschen auf, die eine regelrechte Odysee hinter sich haben und am Ende bereit sind das Sprachtraining aus eigener Tasche zu finanzieren, obwohl ihre Unternehmen eigentlich ein Budget dafür bereit halten.
Wenn Firmenwagen nach denselben Kriterien ausgesucht würden wie Sprachtrainings, wären Deutschlands Straßen eher von Kleinwagen der unteren Kompaktklasse oder gar von Motorrollern gesäumt und die Premium-Autobauer hätten ein schwereres Leben.
Hendrik S. berichtet aus seiner Bank, die in ihrem Außenauftritt mit dem Begriff Nachhaltigkeit nicht gerade sparsam umgeht: "Ich habe mich im firmeninternen Sprachtraining einfach nur gelangweilt ... ich hatte nie das Gefühl, dass es effizient war. Bei HR wurde mir immer wieder gesagt, dass meine Firma einen Rahmenvertrag mit einer Sprachschule habe und von daher alle Sprachtrainings über diese zu laufen hätten. Erst nachdem ich mich in meinem Jahresmitarbeitergespräch über diesen Zustand massiv beschwert hatte (Deutsch sollte ja immerhin zu meiner Arbeitssprache werden), wurde mir über einen anderen Geldtopf die Finanzierung eines nachhaltigen Sprachtrainings gewährt - vorbei am Rahmenvertrag der Sprachschule - ich sollte diese "Sondermaßnahme" keinesfalls an die große Glocke hängen, wurde mir noch auferlegt."
In einem anderen größeren Unternehmen, das ich regelmäßig besuche, ereignet sich ca. alle drei Jahre folgendes: Der Vertrag mit der Sprachschule wird aus verschiedenen Gründen regelmäßig nicht verlängert. Da wir in diesem Unternehmen viele Mitarbeiter als Privatkunden bedienen, wissen wir, dass mangelnde Qualität ein Hauptgrund ist. Darauf folgt jedes Mal aufs Neue ein aufwändiges Ausschreibungsverfahren, bei dem ein neuer Anbieter für die Sprachtrainings gesucht wird.
Wer auch immer den Zuschlag erhält: der neue Anbieter schickt i.d.R. dieselben Sprachtrainer ins Unternehmen wie der alte. So zeigt sich Marco S, der sich bereits mehrmals beschwert hatte, bitter enttäuscht: "Ich bin aus allen Wolken gefallen, als mir von der neuen Sprachschule dieselbe Trainerin präsentiert wurde, die ich bereits vorher bei der alten Sprachschule hatte ..." . Uns wundert das keineswegs, weil wir genau wissen, dass alle großen Sprachschulen Freelancer zu - sagen wir mal gemilde - nicht allzu großzügigen Honoraren für sich arbeiten lassen. Die Freelancer wiederum halten sich mehrere Standbeine und stehen somit gleich bei mehreren Sprachschulen gleichzeitig im Trainerpool.
HR will das Beste für die Mitarbeiter - Der CFO schaut nur auf die Zahlen - oder besser gesagt auf die falschen Zahlen und macht auf diese Weise einer nachhaltigen Personalentwicklung nicht selten einen Strich durch die Rechnung: zum Leidwesen der Mitarbeiter, was allerdings oft erst viel zu spät erkannt wird.
Auch der folgende ist leider kein Einzelfall: Herr K., HR-Dirketor einer größeren ausländischen Bank, klagt uns sein Leid: "Ich wollte unbedingt gute Sprachtrainer für unsere ausländischen Mitarbeiter organisieren und hatte schon alles so weit vorbereitet. Dann rief mich der CFO und drängte mich dazu die Schüler in kostengünstigeren Gruppenkursen unterzubringen. Ich war ihm gegenüber nicht in der Lage für nachhaltiges Sprachtraining zu werben. Da fehlten mir einfach die argumentativen Fachkenntnisse. Für den CFO war nur das Stundenhonorar maßgebend. Dabei weiß ich doch, wie wichtig solche weichen Faktoren für unsere qualifizierten Fachkräfte sind."
Hinzu kommt, dass die unterrichteten Mitarbeiter es meistens jahrelang gar nicht merken, was ihnen durch solche Entscheidungen vorenthalten wird. "Bei einem Partygespäch mit einem Kollegen wurde mir schlagartig klar, wie viel Zeit ich mit Sprachunterricht vertrödelt hatte. Ich brauchte eineinhalb Jahre im Firmenkurs, um gerade mal die Niveaustufe B1 zu erreichen. Mein Kollege erreichte dasselbe Ziel in 3x40 Stunden Kleingruppentraining innerhalb von 4 Monaten bei einem nachhaltigen Anbieter.", erinnert sich Tiziana N.
Es ist eigentlich beruhigend zu wissen, dass in einer von Geld regierten Welt den Flüchtlingen die besser qualifizierten Sprachtrainer zugeteilt werden. Große namhafte Sprachschulen, die in erster Linie große Firmen mit Sprachtrainings versorgen, veranstalten oft gleichzeitig auch Integrationskurse für Migranten. Die staatliche Förderung lassen sich die Veranstalter nur ungern entgehen. Allerdings sind die Anforderungen an die Lehrkräfte für Integrationskurse auch wesentlich höher - im Unterschied zu anderen Sprachtrainern müssen sie einschlägige Qualifikationen vorweisen - ohne Ausnahme.
Und man kann es den qualifizierten Lehrkräften nicht verübeln, dass sie dort unterrichten, wo sie auch monetär eine höhere Wertschätzung erfahren. Einer von ihnen ist Dirk F., der für eine große Sprachschulkette arbeitet: "Ich unterrichte zwar sehr gerne Banker und Juristen - aber in Integrationskursen bekomme ich einfach doppelt so viel Geld. Und da ich im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen ein DAF-Studium vorweisen kann, schickt mich die Sprachschule in die Integrationsklassen."
Es fehlt hier eine echte Beratungskapazität an der Schnittstelle. Ein HR ist in der Regel kein Experte für Sprachtraining und von einem CFO kann man das auch nicht erwarten. Eine kompetente Beratung kann hier nur durch jemanden erfolgen, der über viel Berufserfahrung verfügt sowie eine einschlägige universitäre Ausbildung in diesem Bereich vorweisen kann.
Die KPIs sollten nie von einem HR oder CFO alleine bewertet werden. Das Hinzuziehen eines Experten mit Sachverstand ist unabdingbar, da man intern nicht i.d.R. nicht über diese Ressource verfügt. Eine kleine Investition, die sich schon kurzfristig auszahlt: Effizienteres Training, zufriedenere Mitarbeiter und damit einhergehend natürlich Kostenersparnis.
Der Stundenpreis sollte nie als ausschlaggebende Kennzahl dienen. Viel wichtiger ist hier eine richtige CpL-Ermittlung (Cost per level). Diese Kennzahl errechnet sich aus den KPIs TtpL (Trainer Time per Level) und ThpL (Time for hometraining per Level). Diesen beiden letztgenannten KPIs gilt es einen monetären Wert zuzuordnen. Erst dann lässt sich die Größe CpL aussagekräftig bestimmen.