Sprachtraining | 06.04.2020
Ein Gastbeitrag von Joana Iser da Silva
Mit der Entstehung des Web 2.0 begann das digitale Zeitalter. Die Bildungsinstitutionen stehen seit dem vor der Herausforderung die Lernprozesse neu - und damit unabhängiger von Zeit und Ort - zu definieren. Die traditionellen Lehr-Lern-Formate werden also aufgebrochen und neue Lernkonzepte müssen her, um den veränderten Bedürfnissen gerecht zu werden.
Zuerst möchte ich ein paar Begriffe klären, denn die Verwirrung ist scheinbar groß im Dschungel der Angebotsvielfalt. Was bedeutet eigentlich digitales Lernen? Was ist E-Learning überhaupt? Und was ist damit gemeint, wenn man dieses auch noch mal in 1.0 und 2.0 unterteilt? Handelt es sich bereits um digitales Lernen, wenn mir der Dozent eine Hausaufgabe als PDF-Sheet in einer E-Mail zusendet? Fühlt sich wenigstens schon ein bisschen digital an.
Ganz allgemein formuliert: Beim E-Learning verschmilzt der Bildungsprozess mit den digitalen Technologien.
Das analoge Lernen bzw. der Präsenzunterricht, der in einem geschlossen Rahmen an einer Institution stattfindet ist abhängig von Zeit und Ort. Beim analogen Lernen vermittelt der Dozent das Wissen im Klassenraum. Mit dem Einzug des E-Learnings wird die klassische Form der Wissensvermittlung aufgebrochen.
Mit dem E-Learning 1.0 begann die Ära des digitalen Lernens. Es handelt sich dabei um ein digital-gestütztes Lernen, bei dem die Dozenten den Teilnehmern auf klassischen Lernplattformen oder über Links zusätzliche Lernmaterialen zur Verfügung stellen. Die Schüler können so die dort eingestellten Inhalte ergänzend zum Präsenzunterricht nutzen.
Die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden beschränkt sich auf einfache Hinweise und Ankündigungen. Somit ist das E-Learning 1.0 immer noch sehr lehrerzentriert und findet innerhalb des festgelegten Rahmens des Präsenzunterrichts statt.
Beim E-Learning 2.0 wird ein selbstorganisiertes Lernen in der authentischen Lebenswelt des Internets ermöglicht. Die Lernenden empfangen und erarbeiten nicht nur das Wissen, sondern sie teilen es auch. Hinzukommt ein aktives Mitwirken und Gestalten auf einer gemeinsamen Lernplattform. Die Lernenden arbeiten hier völlig flexibel und ortsunabhängig. Dabei kommen Blogs, Wikis, Microblogging-Tools wie Twitter und viele andere digitale Anwendungen zum Einsatz.
Beim digitalisierten Lernen können wir zwei grundlegende Dinge von der Lehrperson erwarten. Zum einen sollte sie mit den modernsten Techniken umgehen können. Allein schon, um nicht die pädagogische Autorität gegenüber den digital natives zu verlieren, sollte die Lehrperson mit deren Nutzungsgewohnheiten in den verschiedenen Netzwerken vertraut sein.
Zum anderen nimmt die Lehrperson eine neue Rolle gegenüber den Lernenden ein. Die Lehrperson wird mehr zum Wegweiser, Berater und Moderator. Der Lehrende erstellt Inhalte so, dass die Lernenden diese zum selbstgesteuerten Lernen nutzen können und so ihre individuellen Ziele erreichen.
Dabei hat die Lehrperson die spezielle Aufgabe Inhalte so zu gestalten, dass die Lernenden sich dieses Wissen aneignen und erarbeiten können. Sie schafft ein Personal Environment für die Lernenden, in dem der Organisationsprozess und die Grundlage für das selbstgesteuerte Lernen vorgegeben werden.
Eine wichtige Voraussetzung ist, dass die Lehrperson im stetigen Kontakt zu den Lehrenden bleibt bzw. über die Lern-Plattformen mit ihnen kommuniziert, Deadlines setzt, regelmäßig neue Inhalte hochstellt und klare Anweisungen und Hilfestellungen gibt.
Auch die Rolle der Lernenden verändert sich damit einhergehend. Sie müssen in diesem Prozess mehr Verantwortung für ihren Lernfortschritt tragen. Eigenständiges Lernen und selbstorganisierter Austausch mit anderen auf Lern-Plattformen ist angesagt. Das heißt, zum Lernprozess kommt ein Organisationsprozess hinzu.
Und da nicht mehr nur im Klassenraum gelernt wird und die Teilnehmer auch zeit- und ortsunabhängig lernen können, werden nun auch höhere Anforderungen an die Disziplin oder das Zeitmanagement gestellt.
Zuerst einmal muss die Institution selbst technisch auf dem aktuellsten Stand sein und gewährleisten, dass die Technik funktioniert und jeder Zugriff darauf hat. Doch das allein reicht nicht. Es muss ebenso gewährleistet sein, dass die Lehrenden und Lernenden auch zu Hause mit der nötigen Technik ausgestattet sind. Andernfalls kann die Unabhängigkeit von Zeit und Ort nicht lückenlos umgesetzt werden.
Hierfür muss das Lehrpersonal regelmäßig geschult werden. Ggf. müssen auch die Lernenden im Rahmen einer kurzen Einweisung mit den Lernplattformen vertraut gemacht werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Institution sich mit den Datenschutzregelungen auseinandersetzen muss, damit diesbezüglich keine Missverständnisse im Lehr-Lernprozess entstehen. Die Lehrperson muss sich einfach und schnell einen Überblick verschaffen können, unter welchen Bedingungen bspw. bestimmte YouTube-Videos in den Unterricht integriert werden können, ohne dabei gegen die rechtliche Lage zu verstoßen, aber gleichzeitig für einen maximalen Freiraum an Unterrichtsgestaltung zu sorgen.
Ich freue mich, wenn ich dem Team von ISEU mit meinem Gastbeitrag wertvolle Inspirationen für die digitale Weiterentwicklung seiner Sprachkursangebote geben konnte.
Dieser Gastbeitrag ist ein blog-gerecht umgestalteter Auszug aus einer wissenschaftlichen Hausarbeit zum Thema „Lernen in der digitalen Welt“.
Joana Iser da Silva ist Studentin der Online-Kommunikation an der Hochschule Darmstadt im Fachbereich Media.